Ein wenig Praxisforschung zur Handsense
Die Handsense ist ein konviviales Low-Tech Werkzeug, das im Kontext von Subsistenzwirtschaft, Permakulturgärten, Agroforstkulturen und Hausgärten, ebenso wie in der Landschaftspflege und im kommunalen Bereich eine sinnvolle Verwendung finden kann. Besonders in kleinteiligen Strukturen und unter erschwerten Mähbedingungen (Raumverhältnisse, Mähhindernisse, Bodenunebenheiten, Gefälle, etc.) ist sie ein Mittel der Wahl. Als Ersatz für motorbetriebene (Mulch-)Mäher und Motorsensen wird die Handsense hier hoffentlich vermehrt eine Wiederentdeckung erfahren. Bei richtiger Ergonomie, Bedienung und scharfer Schneide ist sie unschlagbar energie- und ressourceneffizient (>> Faktor 10 im Vergleich zu Freischneider und Motormähern) und von der Mähleistung für kleinere Flächen im Bereich bis ca. 0,20 (0,3) ha pro Tag und Person eine akzeptable Wahl. Im meditativen Bewegungsfluss kann mensch selbstwirksam mit „Natur“ in Resonanz kommen, z.B. beim Mähen einer artenreichen Streuobstwiese.
Diesem Potenzial haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr Einzelpersonen, Vereine und Initiativen verschrieben. Die Sensenvereine in Österreich und Deutschland sprechen seit einigen Jahren von einer „Renaissance der Sense“. Es gibt einige Anbieter*innen von Sensenkursen und eine eigene Ausbildung zum „Sensenlehrer“. Mein Eindruck ist, dass daher eine gründliche theoretische Durchdringung, Beforschung und Weiterentwicklung der Kulturtechnik der Sense und deren Bauweisen überfällig ist. Denn es gibt, meines Wissens, kein Forschungsvorhaben, das sich mit der komplexen Funktionsweise, Ergonomie und Bewegungsdynamik des Mähens mit der Handsense auseinandersetzt*¹. Die Sense hat sich in ihrer Bauweise seit ihrer Ablösung durch motorisierte Mähsysteme aus vorindustrieller Zeit und den entsprechenden Materialien nur wenig verändert. Auch wenn sich z.B. das Sensenblatt jahrhundertelang bewährt hat und es vermutlich wenig Verbesserungspotenzial birgt, könnte die Situation beim Sensenstil eine andere sein. Ich vermute Potenziale in den Bereichen Ergonomie und Verstellbarkeit, da die früher möglichen Herstellungsweisen und Materialien bestimmte Formen nicht zuließen und die Sense damit in ihrem Potenzial limitierten.
Grundlage für diese „Sensenforschung“ ist ein tiefes Verständnis der Funktionsweise und Ergonomie der Sense. Ich versuche hier mit einer Bewegungsanalyse das komplexe, konzertierte Zusammenspiel der Mähbewegung(en) zu erfassen und anschaulich zu machen. Nicht zuletzt könnte dieses tiefe Verständnis auch hilfreich für das Erlernen, Durchdringen und Verfeinern des Mähens mit der Sense sein. Ebenso Grundlage für diese „Sensenforschung“ sind präzise Begrifflichkeiten. Diese wurden im Zweifel bei Bedarf einfach neu geschaffen bzw. abgeleitet. Mit Hilfe einer „Forschungssense“, die sich um die relevanten Achsen und Längen verstellen lässt, wurden erste Praxiserfahrungen gesammelt, die in die Entwicklung von vornehmlich ergonomischen Sensenbauformen einfließen konnten.
Für ein grundlegendes Verständnis der Funktionsweise und Ergonomie ist ferner die Kenntnis der Mähsituationen notwendig, da es nicht „die“ Mähbewegung gibt. Das Wechselspiel aus Topographie, Aufwuchs, Raumverhältnissen, etc. verlangt diverse Abwandlungen und Mähtechniken. Die verschiedenen „Mähsituationen“ mit den entsprechenden dazugehörigen Mähtechniken wurden strukturiert und möglichst umfassend aufgelistet.
Der Aufsatz, der keine wissenschaftliche Arbeit im herkömmlichen Sinn darstellt, ist ein unfertiges und noch fehlerbehaftetes Arbeitspapier, an dem weiter gewirkt werden wird. Der unfertige Zwischenstand wird trotzdem geteilt, um eine Diskussionsgrundlage zu bieten für von mir erwünschten fachlichen Austausch. Die Überlegungen sind vor allem aus den eigenen, (unregelmäßigen) Mäherfahrungen gespeist. Deswegen gibt es kein Quellenverzeichnis, sondern nur eine Sammlung an inspirierenden, hilfreichen und weiterführenden Links. Der Text ist Open Source und darf frei geteilt, weiterentwickelt und verändert werden, siehe Lizenz in der Fußzeile. Ich freue mich über Rückmeldungen, konstruktive Kritik und Austausch!“
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*¹ Wobei ich mir hier, ehrlich gesagt, noch keine Mühe machte außerhalb von Google und Co zu recherchieren! Vielleicht gibt es dazu also bereits Abhandlungen, insbesondere außerhalb des deutschsprachigen Raumes…
Funktionsweise_und_Ergonomie_der_Sense20220706.pdf
Eine „Forschungssense“ für Testzwecke – komplett um alle Achsen und Längen verstellbar und verschiedene Prototypen, 2022
Die Testergebnisse und Erfahrungen der letzten zwei Jahre (2021 und 2022) mündeten in diese Entwicklungen, siehe Baupläne: