Windrow Gardening
„Schwadgärtnern“ nach Botan Anderson
Direkter Anbau von Kartoffeln und Kürbis im Mulchmaterial der (doppelten) Mähschwaden; Quelle: https://www.onescytherevolution.com/windrow-gardening.html (13.11.2022)
Dort anbauen, wo das Mulchmaterial wächst!
Auf der Suche nach einer sinnvollen und arbeitssparenden Verwendung für das Schnittgut von Grünland kam Botan Andersen vor gut zehn Jahren auf das Anbauverfahren „Windrow Gardening“. Der Gedanke dabei ist, dort anzubauen, wo das Mulchmaterial wächst und dabei auch noch die Arbeitsweise der Sense intelligent zu nutzen, indem sie beim Mähen das Schnittgut in Schwaden (Windrows) legt. Ein Doppelschwad, also zwei durch beidseitiges Mähen entstehende parallel aneinander liegende Schwaden, bildet die Grundlage für eine Kulturreihe im Mulchanbau. Durchwachsende Wiesen- und Beikräuter werden durch mehrmaliges „Nachschwaden“/ Mähen in der Anbausaison unterdrückt. Dabei ist die Verfügbarkeit von Mulchmaterial, ein vermutlich häufig limitierender Faktor, weitgehend gegeben und kann, in Grenzen, durch die Breite der gemähten Streifen angepasst werden. Vor allem aber fallen die Transportwege weg.
Dadurch können die Vorteile einer Mulchwirtschaft weitgehend zum Tragen kommen und so Humusaufbau, Wasserhaushalt, Nährstoffversorgung und Bodenleben positiv beeinflussen, bei relativ geringer Arbeitsintensität und dem Einsatz von konvivialer, subsistenztauglicher Technologie. Werden die Doppelschwaden in hängigem Gelände, quer zum Hang, in sogenanntem „Keyline-Design“, angelegt, wird der Wasserhaushalt zusätzlich positiv beeinflusst.
Verwendung des Aufwuchses artenreichen Grünlands und damit eine Chance für den Naturschutz. Wobei hier die Frage bleibt, welche Auswirkungen die Anbauweise auf die Vegetation von artenreichen Mähwiesen(-streifen) hat. Ebenso bleibt fraglich, ob sich die naturschutzfachlichen Mahdtermine und -frequenzen mit dem zeitlichen und mengenmäßigen Bedarf an Mulchmaterial vereinbaren lassen.
Etwas weiter gedacht könnte es beim Windrow Gardening in fossilfreien Zeiten, in denen Probleme der Eutrophierung vermutlich der Vergangenheit angehören werden, eventuell ein weiteres Potenzial im Bereich der Düngung geben. So scheitert die Nutzung von „menschlichem Mist“ bisher, nicht nur, an rechtlichen Hürden. Das Problem der Kontamination der Anbaukulturen mit Krankheitskeimen, Parasiten und Arzneimittelrückständen könnte mit einer indirekten Düngung umgangen oder zumindest reduziert werden. Werden nur die Wiesenstreifen gedüngt, kommen die Nährstoffe über den Umweg des Mulches auf/ an die Kulturen. Das rege Bodenleben im Grünland dürfte im Laufe der der Zeit auch zähere Verbindungen aus Arzneien knacken, abbauen und eine Anreicherung in den Wiesenstreifen verhindern.
Durch die systembedingte Aufkonzentrierung der Nährstoffe aus der Fläche innerhalb der Anbaureihen, durch eine mögliche zusätzliche (indirekte) Düngung, durch die erosionshemmende Struktur der Grünlandstreifen bzw. Kulturreihen an sich, wäre das Konzept unter Umständen auch für magere, steinige Grenzertragsstandorte auf hängigen, steilen Standorten interessant. Hier wäre es für den Naturschutz eine Chance, wenn Magerrasen und regenerative, aufbauende Agrikultur konstruktiv zusammentreffen würden und „künstliche Landschaftspflege“ hier gegebenenfalls nicht mehr nötig werden könnte. Nicht zuletzt würde sicherlich die ökologische Resilienz des Anbausystems durch seinen Strukturreichtum und seine Biodiversität unterstützt werden.
Mich fasziniert diese Anbaumethode auch wegen ihrer Niederschwelligkeit. So braucht es im wesentlichen nur eine Handsense, einen Rechen und vielleicht eine Hacke. Die Kulturtechnik ist einfach vermittelbar und vermutlich relativ extensiv, was den Arbeitseinsatz angeht.
kritische Aspekte
Bis hierhin ist es für mich nur Theorie, die auf eine Überprüfung in der Praxis wartet und Fragen aufkommen lässt:
- Mulchbedarf bzw. Verhältnis von Mulchreihe und Wiesenstreifen?
- geeignete Kulturen für die Mulchwirtschaft (klassisch einjährige, aber auch Mehrjährige)
- Schnecken und Mäuse lauern auf hunderten von Metern: Verhältnis Fläche zu Außengrenzen
- Wildverbissproblematik durch eine geringe Kulturpflanzendichte und eine entsprechend große Flächen, die relativ große Aufwände für ein Einzäunen bedeuten würden
- rechtliche Hürden: Grünlandumbruchsverbot bei einer geplanten Etablierung in eine bestehende Wiese
– auch wenn sie z.B. bisher häufig geschnitten und gemulcht wurde, entsprechend artenarm ist und die Perspektive einer Schnittgutverwendung und der damit einhergehenden partiellen Aushagerung in Kombination mit einer tragfähigen langfristigen Perspektive eine Verbesserung des ökologischen Zustandes bewirken könnte - Der Einfluss von Wiesensaatgut, das bei biodiversitätsfreundlichem Schnittzeitpunkt vermehrt anfällt, auf den Beikrautdruck
Praxis(vor)versuch 2023
Ein erster Praxisversuch mit insgesamt gut 100 m Doppelschwad/ Windrow fand 2023 auf einer Grünlandfläche vom Hof Sonnenwald im Nordschwarzwald bei Freudenstadt statt. Hier wurde im ersten Jahr 3 mal gemäht und geschwadet um die Beetreihen für einen Anbau im daraufolgenden Jahr vorzubereiten.
Dabei kam eine erste Komplikation des Konzepts zu Tage, die seine Praxistauglichkeit, zumindest mit dem Werkzeug Sense, in Frage stellt: Die Halmausrichtung (Wind, Wasserabfluss) gibt beim Mähen in erster Priorität die Richtung an, sogar nachrangig zum Geländeprofil oder anderen Maßgaben. Dadurch, dass die Mulchlinien aber fix positioniert liegen, kann darauf keine Rücksicht genommen werden. So musste während des Versuchs in eine Richtung sehr mühsam und aufwendig gemäht werden! Maschinelles Mähen wäre hiervon deutlich weniger beeinträchtigt. Diese Erkenntnis, noch ganz ohne den eigentlichen Anbau von Kulturpflanzen, deutet auf eine gewisse Entkopplung von Mulchspenderflächen und Anbaureihen und damit auf eine gewisse Abkehr vom eigentlichen Windrowkonzept hin, also ggf. breitere Wiesenstreifen, um in alle Richtungen, auch Hang abwärts mähen zu können und damit einhergehend entsprechend auch breitere, mehrreihige Beete.
Der Versuch wurde im Herbst 2023 nach drei Schnitten auch wegen der langen Anfahrtswege von Freiburg abgebrochen und wartet auf eine Fortsetzung in Freiburg.
Eine weitere Erkenntnis war ein (mäßiger) Befall von Wühlmäusen: Die Baue „häuften“ sich auffällig direkt innerhalb der Mulchlinien. Zwar verrottete die Mulchauflage zwischen den Schnitten weitgehend, doch bot die üppige, von den Nährstoffen profitierende Vegetation an ihren Rändern guten Schutz und Nahrung.
An die Praxisprobleme mit der Mähbarkeit im Zusammenhang mit der Halmausrichtung schlage ich den, wie ich finde, umfassender greifenden und präziseren Begriff der „grünlandbasierten Mulchkultur“ anstatt des Windrow Gardenings vor. Denn für mich ist nicht der (raffinierte) arbeitsparende, aber nicht immer praxistaugliche Effekt der Nutzung des Schwads die zentrale Charakteristik, sondern die Integration von schmalen Beeten ins Grünland mit hoher Mulchmaterialverfügbarkeit, kurzen Wegen und den weiteren daraus resultierenden potenziell positiven Effekten.